Exotische Haustiere | Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer

Bilanz unserer Kampagne "Wildtiere gehören nicht ins Wohnzimmer"

Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit von aktion tier e.V.
Die Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit von aktion tier e.V. klärten Passanten zum Thema Wildtierhaltung auf. Foto: © aktion tier e.V.

Teilnahme an der Jahrestagung der AG Warane

Wir nahmen dann auch die Einladung zum Jahrestreffen der AG Warane am 24. April in Hanau an. Diese Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie (von griechisch herpeton = kriechendes Ding, ist die Lehre und Kunde von den Tierklassen der Amphibien und Reptilien) und Terrarienkunde e.V. Die DGHT befasst sich vorrangig mit der Zucht und Haltung von Waranen.

Der Empfang war herzlich und die Stimmung uns gegenüber neugierig-freundlich. Gleich zu Beginn überreichte uns Klaus Wesiak zwei Ausgaben der „elaphe“, der Fachzeitschrift der DGHT. Verschiedene Vorträge über seltene Waranarten, Krankheiten, Terrarienausbau und Gefahrtierhaltung zeigten das hohe fachliche Niveau der Arbeitsgemeinschaft. So sprachen beispielsweise der Herpetologe und Leiter der AG, Herr André Koch, vom Zoologischen Forschungsmuseum Koenig (ZFMK) in Bonn sowie die Geschäftsführerin der DGHT Frau Silvia Macina. Auch in Gesprächen am Rande wurde deutlich, mit welcher Hingabe und welch hohem zeitlichen und finanziellen Einsatz diese Waranhalter ihrem Hobby nachgehen. Im Rahmen einer Diskussionsrunde mit allen Teilnehmern der Tagung wurde dann fair und offen über die unterschiedlichen Positionen gesprochen. Dass Tiere auf Exotenbörsen leiden und in den Händen von Trendund Spontankäufern sicher kein artgemäßes Leben führen, wurde auch von den Tagungsteilnehmern kritisiert. Innerhalb einer gut funktionierenden Gemeinschaft wie diesen Waranliebhabern gibt es keine Wegwerftiere. Man hilft sich gegenseitig bei der Vermittlung, wenn Probleme auftreten, oder berät Neulinge vor der Anschaffung eines Tieres. Leider stellen derartige Fachleute in unseren Augen eine Minderheit dar. Vielmehr zeigen unsere Erfahrungen, dass sich nur ein Bruchteil der Menschen VOR dem Kauf über die Bedürfnisse der anspruchsvollen Exoten und die hohen Kosten, die mit der Haltung verbunden sind, informiert. Wir haben in unseren chronisch überfüllten Exotenstationen täglich Tiere mit teilweise lebensbedrohlichen haltungsbedingten Schäden vor Augen. Und was wird aus all den oft über 50 Jahre alt werdenden Schildkröten, Papageien und Reptilien, die ihre vielleicht sehr engagierten Halter mit Sicherheit überleben? Dieses Treffen war sinnvoll und fruchtbar – schließlich kämpfen ernsthafte Tierfreunde nie gegen, sondern immer miteinander – für das Wohl der Tiere. Ob und wie man die offenkundigen Probleme in Zukunft eventuell gemeinsam lösen könnte, werden wir in weiteren Gesprächen mit der DGHT überlegen. Und auch mit Frank Mohr von der Waranwelt werden wir in Kontakt bleiben. Der Grundstein für eine Zusammenarbeit wurde bei diesem Treffen auf jeden Fall gelegt.

Unterschriftenaktion „NEIN zu Exotenbörsen“

Sogenannte Exoten- oder Reptilienbörsen, auf denen fremdländische Reptilien, Amphibien, Insekten und Spinnen zu kaufen oder zu tauschen sind, werden mittlerweile in fast jeder deutschen Großstadt veranstaltet. Die weltweit größte Börse für Terrarientiere, die „Terraristika“ im nordrhein-westfälischen Hamm, findet sogar vier Mal pro Jahr statt. Verstaut in kleinen Behältnissen wird die „Ware Tier“ teilweise über weite Strecken zum Veranstaltungsort transportiert und dann auch noch unter grellem Neonlicht den ganzen Tag über den Besuchern präsentiert. Die bedauerlicherweise nicht rechtsverbindlichen „Leitlinien zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten“ des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) sollen dafür sorgen, dass der Tierschutz aspekt auch auf Exotenbörsen mehr Beachtung findet. Wir waren im Rahmen unserer Kampagne selbst auf der Terraristika in Hamm und mussten feststellen, dass diesen Leitlinien zum Trotz immer noch massenweise Wildfänge angeboten werden. Auch können die Besucher ungehindert die teilweise winzigen und oft übereinandergestapelten Tierboxen schütteln oder bekommen bereitwillig Schlangen, Schildkröten oder Chamäleons auf die Hand gesetzt. Erfreulicherweise hörten wir jedoch auch auf dieser Börse kritische Stimmen von Menschen, denen die Tiere leidtaten und selbst in Fachkreisen stoßen derartige Events auf immer größere Ablehnung. Auch im Rahmen unserer Unterschriftenaktion haben bereits Hunderte Tierfreunde durch ihre Unterschrift bekundet, dass sie ein Verbot dieser tierschutzwidrigen Exotenbörsen wünschen. 

Am Dienstag, den 11.12.2012 hat der Parlamentarische Staatsekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Herr Peter Bleser, unsere Unterschriftenlisten mit 2.177 Unterschriften für ein bundesweites Verbot von Exotenbörsen im Bundesministerium in Berlin entgegengenommen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Recherche zur illegalen Haltung / Nilwaran beißt Besitzer

Um zu zeigen, wie leicht es ist, selbst ein gefährliches und streng geschütztes exotisches Wildtier illegal in Deutschland zu erwerben und zu halten, haben wir in den einschlägigen Internetforen recherchiert und wurden schnell fündig. Von Alligatoren über Riesen- und Giftschlangen, Skorpionen und Spinnen bis hin zu Igeln und Affen ist alles zu haben. Die Anzeige von Alex S. aus Erfurt stach uns besonders ins Auge: „Nilwaran abzugeben, hat keine Fehler, schöne Farbe, ist ein guter Fresser und häutet sich in regelmäßigen Abständen, ca. 70 cm groß, wahrscheinlich ein Weibchen – kann mich nicht mehr gut um ihn kümmern wegen Arbeit und Zeitmangel.“ Wir verabredeten uns mit dem Mann und fuhren gemeinsam mit einem Fernsehteam nach Erfurt. Als uns der junge Waranhalter das fauchende Tier an der Haustür mit bloßen Händen übergeben wollte, sprang ihm die etwa 40 cm lange Echse unvermittelt ins Gesicht und verbiss sich in seine Unterlippe. Es dauerte Minuten, bis der Mann sich befreien konnte. Er fuhr sofort in die Klinik, um die große, stark blutende Wunde behandeln zu lassen. Wie so oft hatte auch dieser Tierhalter wenig Fachkompetenz und die potenzielle Gefährlichkeit seines Hausgenossen unterschätzt. Warane sind fleischfressende Tropen- und Subtropenbewohner. Ihre scharfen Zähne und Krallen sind gefährliche Waffen. Außerdem besitzen Warane im Unterkiefer eine Giftdrüse, sodass ihr Speichel toxisch ist. Wie sich herausstellte, hatte der Halter den als streng geschützt gelisteten Nilwaran illegal erworben und nicht bei der Artenschutzbehörde gemeldet. Die inzwischen behördlich beschlagnahmte Echse, die eine Länge von 2 Metern und ein Alter von 15 Jahren erreichen kann, wurde in der Artenschutzstation des Tierheims Meißen-Winkwitz untergebracht.

Eröffnung der Exotenstation im Tierschutzzentrum aktion tier Meissen

Am 16. April wurde die Exotenstation im Tierschutzzentrum aktion tier Meissen eröffnet. Medien, lokale Politiker und viele Tierfreunde kamen, um sich die moderne Auffangstation für exotische Wildtiere anzusehen. Hier werden ausschließlich Tiere aus illegalen oder nicht artgerechten Haltungen aufgenommen, die von den zuständigen Behörden beschlagnahmt wurden.

Bereits zur Eröffnung war die Station bereits zu einem Drittel belegt. Neben mehreren ausgesetzten Schildkröten sowie Papageien und Leguanen aus nicht artgerechter Haltung hat auch der Nilwaran aus Erfurt hier ein großes Gehege bezogen. Eine 1,70 m lange Erdnatter lebt bereits seit Anfang März in der Exotenstation. Die Schlange war mitsamt ihrem Terrarium auf einem Müllplatz im Jägerpark in Dresden „entsorgt“ worden. Die neue Exotenstation in Meissen ist neben den Wildtierstationen in Rastede und in Sachsenhagen das dritte von aktion tier maßgeblich geförderte Auffangprojekt in Deutschland.

Die Lösung des Problems sehen wir jedoch nicht in der Schaffung möglichst vieler Auffangstationen. Wir wollen vielmehr die Menschen durch unsere Kampagnen- und Aufklärungsarbeit dazu bringen, sich exotische Wildtiere gar nicht erst anzuschaffen!

Politische Arbeit

Wir hatten die zuständigen Ministerien aller zehn Bundesländer angeschrieben, die bisher keine Regelungen zur Haltung potentiell gefährlicher Exoten getroffen haben. In unserem Schreiben verwiesen wir auf unsere Chronik der Vorkommnisse mit exotischen Haustieren und baten die Minister, sich dafür einzusetzen, dass auch in ihrem Bundesland die private Haltung gefährlicher Wildtiere gesetzlich verboten wird. Erfreulich ist, dass sich die meisten Bundesländer darüber im Klaren sind, dass sich durch gefährliche Tiere in privaten Haushalten im Einzelfall erhebliche Risiken für das Leben und die körperliche Unversehrtheit von Menschen ergeben können und daher eine entsprechende gesetzliche Regelung gefunden werden muss.

  • Baden-Württemberg: Keine Antwort Brandenburg: Prüft derzeit die Grundlagen und näheren Einzelheiten einer möglichen gesetzlichen Regelung.
  • Mecklenburg-Vorpommern: Unser Schreiben wurden an das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz weiter geleitet; von dort erhielten wir jedoch keine Antwort.
  • Hamburg: Keine Antwort
  • Nordrhein-Westfalen: Würde eine bundesweit einheitliche Regelung bevorzugen und erörtert das Thema daher in den entsprechenden Fachgremien.
  • Rheinland-Pfalz: Hat 2009 im Bundesrat einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Bundesregierung zur Vorlage einer Verordnung auffordert, in der die Haltung, der Erwerb und die Abgabe von Exoten im Sinne eines tierschutzgerechten Umgangs bundesweit einheitlich geregelt werden soll; dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.
  • Saarland: Der Entwurf einer Verordnung über das Halteverbot für bestimmte, als gefährlich einzustufende Tierarten in Privathand befindet sich in Vorbereitung.
  • Sachsen: Unser Schreiben wurden an das Sächsische Staatsministerium des Innern weiter geleitet; von dort erhielten wir jedoch keine Antwort.
  • Sachsen-Anhalt: Unser Schreiben wurden an das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt weiter geleitet; von dort erhielten wir jedoch keine Antwort.
  • Thüringen: Das Thüringer Innenministerium hat 2006 den Entwurf eines „Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren“ vorgelegt; da das Gesetz damals nicht verabschiedet wurde, hat das Thüringer Innenministerium den Gesetzesentwurf Mitte 2010 erneut vorgelegt. Der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens ist noch nicht bekannt.