Hausgänse & Hausenten

Auf der Suche nach der glücklichen Ente

„Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, Köpfchen in dem Wasser, Schwänzchen in die Höh´“ – Wer kennt nicht das bekannte Kinderlied von Gustav Eskuche? Doch gerade dem Wassertier Ente fehlt in den Mastbetrieben oft das lebenswichtige Wasser, in das es sein Köpfchen tauchen kann. Vor mehr als drei Jahren hat aktion tier bereits auf diesen Missstand hingewiesen und eine Informationsaktion ins Leben gerufen. Nun schauten Tierschützer nach dem Rechten und begaben sich auf die Suche nach der glücklichen Ente.

Foto: Jan Peifer

Im Sommer 2005 wurde aktion tier Bildmaterial aus verschiedenen deutschen Entenmastbetrieben zugespielt. Die Aufnahmen zeigen einen ungeschönten Einblick in die industrielle Massentierhaltung. Zigtausend Enten werden in eine Halle gepfercht, kein Tageslicht, kein Auslauf, zu fressen gibt es nur eine Mischung aus Medikamenten und Kraftfutter. Tote Tiere wurden zum Teil tagelang zwischen ihren Artgenossen liegengelassen. Die Aufnahmen waren nichts für schwache Nerven. Nach nur fünf Wochen Mast geht’s für die Tiere zum Schlachthof. Eine umfangreiche Recherche von aktion tier ergab, dass dies offensichtlich kein Einzelfall ist. Zu unserem Erstaunen stellten die aktion tier-Experten auch fest, dass die Enten in den Mastanlagen noch nicht einmal die Möglichkeit haben, ihren Schnabel zu reinigen. Eine Tatsache, die für diese Tiere lebenswichtig ist. Ein verklebter Schnabel schnürt den empfindlichen Enten buchstäblich die Luft zum Atmen ab.

Schnell wurde eine Plakataktion ins Leben gerufen und verschiedene Politiker sowie Medienvertreter wurden über diesen Missstand informiert. Das Interesse an Enthüllung war sehr groß. Damals hat aktion tier auch versucht, mit einigen Entenmästern ins Gespräch zu kommen, doch diese reagierten äußerst aggressiv, ein Landwirt hat sogar einen Tierschützer mit seinem Auto angefahren. Zufällig konnte ein anwesender Fotograf diese Situation fotografieren. Nach der Autoattacke fuhr der Entenmäster auf Nimmerwiedersehen davon, dabei wollten wir nur wissen, ob er seine Tiere artgerecht hält. Seine Reaktion auf die Frage – mehr als eindeutig. Dem Tierschützer ist bei diesem Vorfall nichts Schlimmeres passiert, dennoch zeigt es, dass der Mäster wohl etwas zu verbergen hat.

Wasserentzug

In gängigen Intensivmastbetrieben wird den Enten lediglich Trinkwasser in so genannten Nippeltränken zur Verfügung gestellt. Badewasser ist nicht vorhanden. Da Enten zum Wassergeflügel zählen, führt der Entzug von offenen Wasserflächen in der Mast zu starken Einschränkungen des arteigenen Verhaltens (Trinken, Seihen, Gründeln, Badeverhalten) und zu schweren körperlichen Beeinträchtigungen (z.B. Schnabel- und Augenverkleben, schlechter Gefiederzustand, gestörtes Wohlbefinden).

Nun, mehr als drei Jahre später, wollten wir wissen, wie sieht es in Deutschlands Entenställen aus? Wir fuhren nach Brandenburg. Im Kreis Märkisch-Oderland soll nach Insiderinformationen ein Entenstall neben dem anderen stehen. Und in der Tat, nach nur kurzem Suchen werden wir fündig, in einem 1.500- Seelendorf namens Neutrebbin. Dass Enten und Gänse für diesen Ort eine zentrale Bedeutung haben, macht auch das Stadtwappen deutlich, es zeigt eine Gans. Wir kommen mit einem Entenmäster ins Gespräch. Er bestätigt uns, dass er seine Enten weiterhin ohne Wasserbecken aufzieht. Gucken dürfen wir zwar nur durch ein Fenster, doch das reicht auch aus, um festzustellen, dass sich in diesem Stall in den letzten Jahren nichts getan hat. Wir fahren einen Ort weiter, hier soll einer der größten Entenmastbetriebe der Republik sein. Der Betrieb ist stadtbekannt, viele der Anwohner kennen ihn, haben zum Teil dort gearbeitet. Von einem Wasserbecken haben sie aber noch nie gehört. Wir fahren zum Betrieb, doch weit und breit keine Menschen. Wir sind überrascht, denn hier steht nicht nur ein Stall, sondern gleich 16 riesige Masthallen, und es stinkt erbärmlich nach Ammoniak. An den Hallen vorbei führt eine Hauptstraße, dutzende Autos donnern an uns vorbei. Für die Anwohner scheint es wohl ganz normal, dass in den Hallen tausende von Enten ihr Dasein fristen. Durch ein verdrecktes Fenster schauen wir in eine der Hallen, viel können wir leider nicht sehen, doch ein Wasserbad oder Ähnliches ist auch hier offenbar nicht vorhanden. Doch der Ekelgeruch wird stärker, wir drehen uns um und sehen, woher der entsetzliche Gestank kommt: Aus den Mülleimern des Betriebs.

Diese sind völlig überfüllt mit toten Enten. Ein Eimer ist völlig aufgeplatzt. Der Kopf einer Ente ist zu sehen. Schnell verlassen wir diesen Ort und fahren weiter nach Grimme im Anhalt-Bitterfeld-Kreis, Sachsen. Hier soll es einen bekannten großen Entenmast- Betrieb geben. Die Anlage wirkt eher wie ein Hochsicherheitstrakt. Ohne Erlaubnis kommt man nicht aufs Gelände. Eine Erlaubnis haben wir nicht und bekommen wir auch nicht, zumindest nicht an diesem Tag. Auch für einen späteren Zeitpunkt macht uns der Pförtner eher wenig Hoffnung, das geht nicht aus hygienischen und seuchenrechtlichen Gründen, so sagt er. Zumindest konnten wir soviel sehen, dass diese Tiere nicht auf die Wiesen können. Weiter geht’s nach Bayern, in die Nähe von Straubing. Hier steht Bayerns größter Entenmast- Betrieb. Vor einigen Jahren wurden in dem Betrieb Undercover-Aufnahmen erstellt, der Betrieb wurde daraufhin von Tierschützern angezeigt. Aus Insiderkreisen war zu hören, dass die Firma auf Grund der öffentlichen Kritik nun überlegt, eine Art Vorreiterrolle einzunehmen und seine Mastställe mit Wasserdusche ausstatten will. Durch die Duschen soll den Enten die Möglichkeit der Schnabelreinigung gegeben werden. Durch eine Gitterlücke an der Straße konnten wir auch in eine Halle schauen, doch von einer Dusche ist nichts zu sehen, ganz im Gegenteil: Die Tiere standen dicht gedrängt, Vorreiterrolle sieht anders aus.

Amputationen

Da Moschusenten in der qualvollen Enge der Mastanlagen zu Kannibalismus neigen, werden ihnen als zusätzliche Qual häufig ohne Betäubung die Schnäbel gekappt und die Krallen an den Paddeln abgeschnitten.

Die Suche nach der glücklichen Ente endet erfolglos. Es ging einmal quer durch Deutschland, doch eine Veränderung der Entenhaltung konnten wir nicht feststellen. Es wirkt fast so, als hätte sich in den letzten drei Jahren nichts getan. Auch die Politik scheint die Ernsthaftigkeit des Themas nicht zu begreifen. Hinzu kommt, dass eine Haltungsverordnung für Mastenten längst überfällig ist, und so wird es vermutlich noch weitere Jahre dauern, bevor wir dann sagen können: Alle meine Entchen schwimmen auf dem See, Köpfchen in dem Wasser, Schwänzchen in die Höh.

Jan Peifer