Massentierhaltung

Die Schweinekäfige stehen vor dem Aus

Fast 60 Millionen Schweine werden jedes Jahr in Deutschland geschlachtet. Die Nachfrage nach billigem Schweinefleisch ist hoch. Um diese zu decken steigt auch in der Tierproduktion der Kostendruck immer weiter. Zuchtschweine, deren einzige Aufgabe es ist, möglichst viele Ferkel zu werfen, werden als Produktionseinheiten gesehen. Sie werden, wie die meisten sogenannten Nutztiere, immer mehr den industriellen Anforderungen angepasst. Das Tierschutzgesetz und seine ergänzenden Verordnungen bleiben dabei oft auf der Strecke. Fast die Hälfte ihres Lebens sind Zuchtsauen in Käfigen, den so genannten Kastenständen, fixiert, die wohl zu den grausamsten und tierquälerischsten Haltungsbedingungen gehören, die die industrielle Massentierhaltung kennt.

Foto: Jan Peifer

Zwischen den Gitterstäben eingezwängt, werden die Sauen jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt, sie stehen und schlafen in ihren eigenen Exkrementen. Ein Umdrehen ist unmöglich, oft können sich die Tiere nicht einmal hinlegen und die Beine ausstrecken, ohne dass diese in den Nachbarkäfig hinein ragen. Das Ausleben arteigener Bedürfnisse wie auch die Wahrnehmung der so wichtigen Sozialkontakte ist unmöglich. Schweinezüchter begründen die Notwendigkeit von Kastenständen häufig damit, die Schweine vor Verletzungen z.B. während Rangkämpfen schützen zu wollen. Tatsächlich dienen sie jedoch vor allem dazu, möglichst viele Tiere auf möglichst wenig Raum unterzubringen und ein hierdurch verursachtes Verletzungsrisiko zu minimieren, bei gleichzeitig möglichst hohem Profit.

Für großes Aufsehen sorgte daher das „Magdeburger Urteil“ des Oberverwaltungsgerichts Sachsen- Anhalt aus dem Jahr 2015. Während einer Kontrolle hatte zuvor der Landkreis Jerichower Land unter anderem die Kastenstände in Stallungen des umstrittenen niederländischen Schweinezüchters Adrianus Straathof als zu klein beanstandet und die Auflagen erteilt, diese entsprechend der Tierschutznutztierhaltungsverordnung so anzupassen, dass allen Schweinen jederzeit ein Aufstehen, Ablegen und Ausstrecken aller Gliedmaßen in Seitenlage möglich ist. Straathof und seine Nachfolger (mittlerweile hat er sich als Geschäftsführer zurückgezogen, die meisten Firmen wurden umbenannt) hatten dagegen Widerspruch und Klage erhoben, doch das OVG Magdeburg gab dem Kreis Recht. Nach einer weiteren Klage wurde im Jahr 2016 dann das Magdeburger Urteil durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt: Die geltende Verordnung muss eingehalten werden. Aufgrund der unterschiedlichen und nicht normbaren Tiergröße macht eine absolute Größenvorgabe der Käfige keinen Sinn. Vielmehr geht es darum, generell zu gewährleisten, dass es einer Sau im Kastenstand möglich ist, im Liegen ungehindert Kopf und Beine auszustrecken. Das bedeutet, er muss in der Breite mindestens die Widerristhöhe der Sau messen. Diese Entscheidung ist deshalb richtungsweisend für die Schweinezucht, weil zum ersten Mal explizit das Haltungssystem dem Tier angepasst werden muss und nicht umgekehrt. Zwar gab es auch in der Vergangenheit keine einheitliche, gesetzlich verbindliche Mindestbreite für die Kastenstände. Diese war von Bundesland zu Bundesland verschieden in einzelnen Vereinbarungen getroffen worden und betrug in der Regel 65-70cm. Doch wurden diese Vereinbarungen durch unzählige Ausnahmeregelungen immer wieder untergraben, die es dem Schweinezüchter aus wirtschaftlichen Gründen erlaubten, kleinere und engere Käfige zu verwenden. Dies ist nun nicht mehr möglich.

Erstmals wurde dem Tierwohl ein höherer Stellenwert zugemessen als der Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen mit Rücksicht auf den Tierhalter.

Zwar wurden die Kastenstände mit dem Urteil nicht direkt verboten. Doch wird wohl der direkte Umstieg auf eine dauerhafte Gruppenhaltung der Tiere ohne dauerhafte Fixierung im Einzelkasten in den meisten Fällen nicht nur einfacher zu verwirklichen, sondern auch deutlich kostengünstiger sein. Für Tierschützer ist die Bestätigung des Magdeburger Urteils ein großer und wichtiger Erfolg, vergleichbar mit dem Verbot der Haltung von Hühnern in den konventionellen Legebatterien. Auf die Schweinezüchter und ihre Berufsverbände dürften recht massive Veränderungen und, je nachdem, nicht unerhebliche Kosten zukommen, die durch die fällige Umgestaltung der alten Haltungssysteme herrühren. Schon im Dezember 2016 hat Hessen als erstes Bundesland per Erlass eine Umbaufrist von sechs bis höchstens zwölf Monaten für Schweinezüchter festgelegt. Es bleibt zu hoffen, dass das Magdeburger Urteil den Stein ins Rollen gebracht hat, dass andere Bundesländer dem Beispiel Hessens folgen werden und dies zu einem Verschwinden der grausamen Kastenstände führen wird. Letztendlich kann darüber hinaus jeder einzelne mit seinem Konsumverhalten dazu beitragen, dass weniger Schweine und Schweinefleisch produziert werden indem er auf (Schweine-)Fleisch verzichtet und sich für eine pflanzliche Ernährung entscheidet.

Jan Peifer