Die Frau wollte Anfang April eigentlich nur ein im Internet angebotenes Möbelstück in einer Wohnung in Berlin abholen. Dann stand sie in einem Zimmer voller Terrarien mit Schlangen. An jedem klebte ein Schild mit einem Totenkopf und dem Hinweis ‘sehr giftig’. Aus den Behältnissen drang unheimliches Rasseln.
Wieder zu Hause schrieb die Frau eine Mail an die Behörde des Bezirkes Tempelhof-Schöneberg und schilderte ihre Beobachtungen. Der Verdacht auf illegale Giftschlangenhaltung setzte das zuständige Veterinäramt in Alarmbereitschaft. Marko Hafenberg, Experte für Gifttiere und Leiter des aktion tier Reptilienschutzzentrums Brandenburg, wurde um Mithilfe gebeten, und einen Tag später standen wir vor der Tür des potentiellen Giftschlangenhalters. Da die beiden Mitarbeiterinnen des Veterinäramtes vorsorglich einige Polizeibeamte mitgenommen hatten, blieb dem 44-Jährigen Tierhalter nichts anderes übrig als der Kontrolle zuzustimmen.
Wie sich herausstellte, lebten in der Wohnung insgesamt 21 Giftschlangen sowie eine fünf Meter lange Würgeschlange und ein Giftskorpion. Unter den Schlangen befanden sich die weltweit gefährlichsten. Zum Beispiel Giftnattern mit hochwirksamen Nervengiften wie die Ägyptische Kobra (Naja haje) und die Monokelkobra (Naja kaouthia). Außerdem Vipern mit gewebe- oder nervenzerstörenden Giften wie die Westliche Gabunviper (Bitis gabonica rhinoceros) oder die Schauer-Klapperschlange (Crotalus durissus collineatus). Auch das Gift des Dickschwanzskorpions Parabuthus schlechteri kann dem Menschen gefährlich werden. Die meisten der in zwei Zimmern dicht an dicht gestellten Terrarien waren nicht ausbruchsicher, da entsprechende Schließvorrichtungen fehlten. Nicht auszudenken was hätte passieren können, wenn sich eines der Reptilien in dem Mehrfamilienhaus auf Entdeckungstour begeben hätte.
Die Haltung gefährlicher Wildtiere ist in Berlin in einer speziellen Verordnung geregelt. Teil A der Anlage zu dieser Verordnung beinhaltet Tiere wie beispielsweise Menschenaffen, Bären, große Raubkatzen, Panzerechsen, giftige Spinnen, Skorpione und Schlangen, die nicht von Privatpersonen gehalten werden dürfen. Dieses Verbot gilt ohne Ausnahme – Sondererlaubnisse werden nicht erteilt.
In Teil B sind dann gefährliche Tiere aufgelistet, die nur mit einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Behörde von Privatpersonen gehalten werden dürfen. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Vogelspinnen, Warane über 50 cm Körperlänge, Riesenschlangen über 2m und sämtliche Affenarten außer Menschenaffen.
Die anwesenden Amtstierärzte ordneten sofort die Wegnahme der Tiere an. Selbst unser erfahrener Giftschlangenexperte Marko Hafenberg geriet beim Einfangen der gefährlichen Reptilien ins Schwitzen, zumal sich auch das Hantieren mit den Schlangenhaken in den kleinen, mit Terrarien vollgestopften Zimmern, als äußerst schwierig erwies. Bei dem großen Netzpython (Python reticulatus) waren fünf Personen erforderlich, um die beeindruckende, aber auch sehr wehrhafte Würgeschlange in eine Transportbox zu verfrachten.
Nach etwa 4 Stunden waren alle Tiere in mehrfach gesicherten Behältnissen verstaut, und Marko Hafenberg machte sich auf den Weg in das Reptilienschutzzentrum. Hier wurden die Schlangen und der Skorpion erst einmal eine Zeit lang in Quarantäne gehalten. Eine Vermittlung an Privatpersonen war ausgeschlossen, aber einige Tiere konnten an Zoos abgegeben werden. Der Rest bleibt im Reptilienschutzzentrum.
Welche Strafe droht
Gemäß der Berliner Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere wildlebender Arten stellt die private Haltung eines in der Anlage Teil A mit absolutem Verbot belegten Tieres keine Straftat, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar, die allerdings mit einem saftigen Bußgeld von bis zu 50.000 Euro geahndet werden kann. Neben dem zu erwartenden Bußgeld in unbekannter Höhe muss der Gifttierhalter auch die Kosten des Einsatzes tragen.