Lebensräume | Herbst

Pilze – die etwas anderen Lebewesen

Beim Thema Pilz denken die meisten nur an Champignon oder maximal auch noch an Pfifferling. Dabei sind Pilze unglaublich vielfältige und spannende Lebewesen.

Das gibt ein leckeres Pilzgericht. Foto: © Ursula Bauer

Sie gehören weder zu den Pflanzen noch zu den Tieren, sondern bilden innerhalb der biologischen Klassifikation ein eigenes Reich (Fungi). Pilze sind allgegenwärtig und besiedeln fast alle Lebensräume.

Unter den Pilzen gibt es Einzeller, wie die Backhefe, und die vielzelligen höheren Pilze, zu denen die Schlauch- und die Ständerpilze zählen. Die Klasse der Ständerpilze umfasst etwa 30.000 Arten, darunter auch die meisten, von uns geschätzten und gesammelten Speisepilze. Niemand kann genau sagen, wie viele verschiedene Pilzarten es gibt. Schätzungen reichen bis zu 5 Millionen Arten weltweit, von denen jedoch bislang nur ca. 100.000 identifiziert sind.

Pilze sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken

Ohne Hefepilze gäbe es weder Wein noch Bier und auch keinen Hefeteig. Während verschiedene Schimmelpilze seit Jahrtausenden für die Reifung von Käsesorten wie Emmentaler, Roquefort oder Camembert verwendet werden, verderben andere Pilzarten Nahrungsmittel und machen uns krank, wie beispielsweise der Fußpilz.

Ein Segen für die Menschheit ist dagegen der Schimmelpilz Penicillum notatum, der das bekannteste Antibiotikum produziert – das Penicillin. Mit der zufälligen Entdeckung der fantastischen Eigenschaften dieses Pilzes durch den Schotten Alexander Fleming im Jahr 1928 gelang es endlich, bakterielle Infektionskrankheiten wie Lungenentzündung, Tripper, Cholera und Typhus effektiv zu behandeln.

Durch Schimmelpilze verdorbenes Essen. Foto: © Ursula Bauer

Pilze sind nur die Fruchtkörper

Das, was wir im Allgemeinen als Pilz bezeichnen, ist nur der Fruchtkörper. Wie etwa bei einem Apfelbaum die Äpfel. Diese Fruchtkörper, die bei einigen Arten als Speisepilz genießbar sind, dienen der Fortpflanzung. Der eigentliche Pilz besteht aus mikroskopisch feinen Fäden (Hyphen), die ein weitverzweigtes Geflecht im Boden bilden.

Die Biologie der Pilze am Beispiel Parasolpilz. Foto: © Ursula Bauer

Welches Ausmaß dieses Pilzgeflecht erreichen kann, zeigt eine Hallimasch-Art im US-Staat Oregon, deren Mycel sich über knapp 9 Quadratkilometer ausgebreitet hat und somit als größtes Lebewesen der Welt gilt. Dieser holzzersetzende Pilz, dessen junge Fruchtkörper übrigens sehr gut schmecken, verzeichnet ein Gewicht von über 600 Tonnen und ein geschätztes Alter von mindestens 2.400 Jahren. Auch die Fruchtkörper einiger Baumpilze können immerhin einige hundert Jahre alt werden. Dagegen sind die beliebten Früchte der meisten Speisepilze leider nur wenige Monate im Jahr zu sehen und zu ernten.

Der Hallimasch-Pilz ernährt sich von Totholz. Foto: © Ursula Bauer

Vermehrung

Pilze vermehren sich einerseits geschlechtlich und andererseits ungeschlechtlich durch Sporen. Diese werden in der Fruchtschicht des Fruchtkörpers gebildet, die je nach Pilzart zum Beispiel aus Röhren, Leisten, Lamellen oder Stacheln bestehen kann. Die reifen Sporen sind winzig klein und werden meistens durch den Wind verbreitet. Sicher hat jeder schon einmal aus Spaß auf einen reifen Bovisten-Fruchtkörper getreten und sich über die bräunliche Wolke gewundert, die dabei freigesetzt wurde. Diese Wolken bestehen aus Millionen von einzelligen Pilzsporen. Deshalb heißt dieser Pilz im Englischen auch „Puffball“.

Fallen die Sporen auf ein geeignetes Substrat, so keimen sie und bilden ein kleines Fadengeflecht (Primärmycel) aus, welches ein bestimmtes Geschlecht aufweist. Erst wenn zwei verschieden geschlechtliche Primärmycelien aufeinandertreffen und sich vereinigen, kann ein vermehrungsfähiges Fadengeflecht entstehen, welches wachsen und später auch Fruchtkörper bilden kann. Zusätzlich erfolgt eine ungeschlechtliche Vermehrung durch Ausbreitung der teilweise viele Meter langen Pilzgeflechte, an denen sich wieder Kolonien von Fruchtkörpern bilden.

Die ökologische Bedeutung von Pilzen ist immens

Unter anderem gewinnen diese interessanten Lebewesen ihre Nahrung aus organischem Material, welches sie zersetzen wie etwa tote Lebewesen, abgestorbenes Holz, Laub und Exkremente. Dadurch sind sie maßgeblich an der so wichtigen Bildung von nährstoffreichem Boden (Humus) beteiligt.

Daneben gibt es viele Pilzarten, die eine Vergesellschaftung mit höheren Pflanzen eingehen, indem sie die äußersten Wurzeln der Partnerpflanze mit ihrem unterirdischen Pilzkörper (Mycel) überziehen. Eine meist für beide Seiten lohnende Verbindung. Die Pflanze profitiert von dem durch das weit verzweigte Pilzmycel stark vergrößerten Wurzelbereich, wodurch ihr mehr Nährstoffe (v.a. Stickstoff, Phosphor) und Wasser zur Verfügung stehen. Die Pilze erhalten von den Partnerpflanzen vor allem Kohlenhydrate (Zucker).

Diese Vergesellschaftung zwischen Pilz und Pflanze nennt man Mykorrhiza, was übersetzt „verpilzte Wurzel“ bedeutet. Unter den Mykorrhizapilzen befinden sich auch eine ganze Reihe leckerer Speisepilze wie etwa Edelreizker (Kiefer), Steinpilz (Laub- und Nadelbäume wie Buche und Fichte) oder das Kuhmaul (Fichten). Dass einige Pilzarten eine ganz spezielle Bindung an eine bestimmte Baumart haben, erkennt man oft schon am Namen, zum Beispiel „Gemeiner Birkenpilz“ oder „Lärchenröhrling“.

Speisepilze

Als Speisepilze werden Pilzarten bezeichnet, deren Fruchtkörper essbar und wohlschmeckend sind. Es gibt in Mitteleuropa zwar mehrere Hundert Arten an Speisepilzen, allgemein bekannt und konsumiert werde jedoch nur etwa 40 Arten. Pilze sind nicht nur lecker, sondern auch gesund, da sie wichtige Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine enthalten. Durch ihren niedrigen Fettgehalt sind sie gut für die „schlanke Linie“ und nicht nur Vegetarier schätzen Pilze als Fleischersatz.

Der wertvollste und teuerste Speisepilz ist der Trüffel. Ein Kilogramm des weißen Alba Trüffel etwa kostet bis zu 9.000 Euro, echte schwarze Trüffel gibt es schon für etwa 1.000 Euro das Kilo. Die knubbeligen Fruchtkörper der zu den Schlauchpilzen zählenden Trüffel wachsen meist unterirdisch an den Wurzeln von Buchen, Kastanien und Eichen. Früher schickte man Schweine auf „Trüffeljagd“. Diese sind jedoch beim Ausgraben recht ruppig und richten große Schäden am sensiblen Pilzgeflecht an. Außerdem fressen sie die schmackhaften Trüffel gerne selbst und lassen sich die Beute nicht immer freiwillig abnehmen. Daher wird dieser Gourmetpilz heute vorrangig mit speziell ausgebildeten Hunden gesucht.

Die knubbeligen Fruchtkörper der zu den Schlauchpilzen zählenden Trüffel wachsen meist unterirdisch an den Wurzeln von Buchen, Kastanien und Eichen. Foto: © Ursula Bauer

Weitaus erschwinglicher als die Luxustrüffel sind Speisepilze wie Champignon, Austernpilz und Shitake, die in Kulturen herangezogen werden und daher das ganze Jahr über im Handel erhältlich sind. Andere beliebte Pilzarten wie etwa Steinpilz und Pfifferling sind dagegen nicht kultivierbar und werden daher nur saisonal angeboten.

Der Steinpilz gehört zu den schmackhaftesten Speisepilzen. Foto: © Ursula Bauer

Pilze selbst sammeln

Das Sammeln von Wildpilzen kann ein großes Vergnügen sein. Man ist den ganzen Tag draußen in der Natur und kommt, wenn alles gut geht, mit einem leckeren Abendessen nach Hause. Wer sich jedoch in den Spätsommer- und Herbstmonaten auf den Weg in den Wald macht, sollte vor allem eins haben – Ahnung! Schließlich gibt es in Deutschland ein ganze Reihe von Giftpilzen, darunter tödlich giftige Arten wie Grüner Knollenblätterpilz, Gift-Häubling und Spitzkegeliger Rauhkopf. Der bekannte Fliegenpilz ist zwar „nur“ stark giftig, der versehentliche Konsum einer kleinen Menge beschert einem jedoch schon die Symptome eines starken Alkoholrausches wie Sprachstörungen, motorische Störungen und allgemeine Verwirrung. Im weiteren Verlauf der Vergiftung können Halluzinationen und Krämpfe hinzukommen.

Fliegenpilze sind giftig - bitte stehenlassen. Foto: © Ursula Bauer

Zum Einarbeiten in die Pilzkunde ist ein ausführlicher Pilzführer nicht schlecht. Ich rate jedoch eher dazu, sich einem vertrauenswürdigen, echten Pilzkenner anzuschließen und das Pilzbuch eher als Ergänzung zu betrachten. Das Gefühl für einen guten Pilzewald bekommt man erst im Laufe der Zeit. In öden Monokulturen, wo gleichartige Bäume eng aneinandergedrückt stehen, wird man kaum Speisepilze finden. Lichte Laub-, Misch- und Nadelwälder mit einer Strauch- und Krautschicht am Boden, mit vermodernden Baumstümpfen, bemosten Mulden und artenreichen Wegsäumen bieten da schon bessere Perspektiven.

Hier einige Tipps und Hinweise zum Pilzesammeln

  • Sammeln Sie bitte nur Pilze, die Sie wirklich kennen und lassen Sie die unsicheren Arten stehen.
  • Fruchtkörper niemals ausreißen, sondern an der Bodenoberfläche mit einem Pilzmesser abschneiden. Durch das Herausreißen oder Auswurzeln wird das Pilzgeflecht im Boden unnötig beschädigt.
  • Schonen Sie den Pilzbestand und sammeln Sie nur so viel, wie Sie selbst zeitnah verzehren können.
  • Bitte nie eine Fundstelle radikal absammeln, die Fruchtkörper dienen der Fortpflanzung des Pilzes und somit der Erhaltung der Art.
  • Verwenden Sie zum Sammeln ein Körbchen, in dem die Pilze luftig und locker liegen. Pilze nie quetschen oder in einer Plastiktüte lagern, da sich hier Kondenswasreport ser bilden kann, welches die Pilze schnell verderben lässt.
  • Gesammelte Waldpilze nie roh essen – einige Arten sind roh giftig, außerdem besteht Infektionsgefahr mit dem Fuchsbandwurm.
  • Frisch gesammelte Wildpilze am besten am selben Tag verzehren oder sofort einfrieren

Ursula Bauer

Diplom-Biologin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.