Hauspferde | Ratgeber Tiermedizin

Zahnbehandlung beim Pferd

Eigentlich ist es für den treusorgenden Pferdebesitzer inzwischen ein „Muss“ geworden. In regelmäßigen Abständen kommt der Pferdzahnarzt in den Stall und kontrolliert das Gebiss der Vierbeiner. Doch dabei bleibt es meistens nicht. Häufig werden die Tiere sediert und die Zähne geraspelt. Mindesten einmal im Jahr findet diese Prozedur statt.

Foto: © iStock/MilesStones

Noch vor 15 Jahren war diese Art der Behandlung nicht die Regel, sondern erfolgte im Einzel- bzw. im Bedarfsfall. Zähne wurden gefeilt, wenn einzelne Pferde Fehlstellungen im Gebiss aufwiesen oder gar ein Zahn fehlte und der Gegenzahn damit keinen Gegenspieler und somit mangelnden Abrieb hatte. Der betreffende Zahn musste gekürzt werden, ansonsten erfolgte eine Hakenbildung am Zahn. Dies führte zu Verletzungen der Mundschleimhaut. Betroffen waren hier vor allem die Senioren. Je älter ein Tier war, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass das Gebiss entsprechende krankmachende Abnutzungserscheinungen aufwies. Um dem vorzubeugen, entwickelte sich in der Pferdemedizin eine regelrechte Zahnpflegekultur. Perse nicht schlecht. Die Kontrollen wurden häufiger und damit auch die Korrektureingriffe. Nun sind wir an dem Punkt angelangt, an dem sich nahezu jeder Pferdehalter, der sein Tier gewissenhaft pflegt, verpflichtet fühlt, mindestens einmal im Jahr eine Zahnbehandlung durchführen zu lassen. Doch muss das tatsächlich sein? Und müssen derartige Sanierungen auch schon bei jungen und mittelalten Tieren durchgeführt werden?

Die Zähne eines Pferdes unterscheiden sich deutlich von denen anderer Säugetiere.
Die Zähne eines Pferdes unterscheiden sich deutlich von denen anderer Säugetiere. Pferde haben insgesamt 36 bis 44 Zähne, die in zwei Hauptkategorien unterteilt sind: Schneidezähne und Backenzähne. Die Schneidezähne befinden sich im Vorderbereich des Mauls und dienen hauptsächlich dazu, Nahrung zu greifen und abzubeißen. Die Backenzähne, auch als Molaren bezeichnet, befinden sich im hinteren Teil des Mauls und sind für das Zerkleinern und Mahlen von Nahrung verantwortlich. Foto: © Dr. Tina Hölscher, aktion tier

Es mehren sich Expertenstimmen, die diese Art der Zahn-Prophylaxe kritisch sehen.

Neuartige – bis dato nicht in Erscheinung getretene Zahnerkrankungen beim Pferd – stehen im Verdacht, auf die vermeintliche Überversorgung der Zahnkorrekturen zurückzuführen zu sein. So mutmaßen Fachleute, dass die so genannte EOTRH (Equine Odontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis) der Schneidezähne auf das übertriebene Kürzen der Backenzähne zurückzuführen sein könnte. In der Folge wird beim Zerkleinern der Nahrung übermäßig viel Druck auf die Schneidezähne ausgeübt, was die Erkrankung auslösen könnte. In der Konsequenz ist das Problem nach der Zahnbehandlung größer als vor dem Eingriff. Mal ganz abgesehen davon, dass jede tierärztliche Tätigkeit Geld kostet und nicht ganz ohne Risiko für den Patienten ist. 

Zahnpflege ist wichtig — aber eine Überversorgung muss nicht sein.
Zahnpflege ist wichtig — aber eine Überversorgung muss nicht sein. Foto: © Dr. Tina Hölscher, aktion tier

An dieser Stelle soll jedoch betont werden, dass hier nicht pauschal gegen notwendige Zahnbehandlungen gewettert werden soll. Doch ob es Sinn macht, bei artgerechter Fütterung jedem Ross jedes Jahr die Zähne zu kürzen, könnte man zumindest überdenken und kritisch hinterfragen.

Dr. med. vet. Tina Hölscher

Tierärztin bei aktion tier – menschen für tiere e.V.